Giulio Cesare in Egitto (2022)
Dramma per musica in tre atti
Musik: Georg Friedrich Händel (HWV 17), Libretto: Bussani / Haym
Szenische Neuproduktion des Ensemble così facciamo auf historischen Instrumenten mit Spirituals, Blues & Jazz von Georg Gershwin
Besetzung:
Giulio Cesare – Lena Spohn
Cleopatra – Stephanie Krug
Sesto – Christian Sturm
Cornelia – Martina Koppelstetter
Tolomeo – Joel Vuik
Achilla – Joel Frederiksen
Nireno – KS Christopher Robson
Ensemble così facciamo
Jazzensemble mit Matthias Preißinger (Klavier) und Stefan Schreiber (Saxophon)
Regie: Martina Veh
Musikalische Leitung: Hans Huyssen
Wenn Giulio Cesare heutzutage Händels beliebteste und daher auch meistgespielte Oper ist, so liegt das wahrscheinlich am Sujet der exotischen Liebesaffäre zwischen Cäsar und Cleopatra, die stets lebhaftes Publikumsinteresse findet. Dass die Oper zudem auch ein kompositorisches Meisterstück ist und einige von Händels eingängigsten und anspruchvollsten Arien enthält, macht ihre Realisierung umso reizvoller. Dass sie schließlich noch durch den Kontext und den Ort der Handlung (das von Rom ca. 50 v. Chr. besetzte Ägypten) Gelegenheit bietet über Orientalismus und Kolonialisierung nachzudenken, macht sie in unseren Zeiten (leider gerade wieder) zu einem unwiderstehlich aktuellen Lehrstück.
Obwohl historische Figuren und exotische Schauplätze geradezu charakteristisch für Libretti des 18. Jahrhunderts sind, dienen sie schließlich doch nur als unverbindliche Rahmenbedingungen der Schilderung von Variationen eines immer gleichen, lehrhaft-moralisierenden, europäischen Heldenepos: ein leidgeprüfter, aber mit Tugend, Geduld und Mut ausgestatteter Held überwindet schließlich alle grausamen Widersacher und Schicksalsschläge. Opern dieser Machart werden heute überhaupt nur noch deshalb gespielt, weil es einigen Komponisten gelang, dieses Schema subversiv aus den Angeln zu heben und schablonenhafte Bühnenfiguren mittels nuanciert musikalischer Charakterisierungen zu nachvollziehbar fühlenden und erlebenden Individuen zu verwandeln. Händel steht hier an führender Stelle. Seiner Gabe, für bestimmte Stimmungen, dramatische Situationen, innere Vorgänge usw. mit wenig Mitteln stets einen bestürzend treffend musikalischen Ausdruck zu finden, in denen sich auch heutige Hörer wiedererkennen können, ist die moderne Wiederbelebung der Barockoper maßgeblich zu verdanken.
Inzwischen wird aber eine weitere politisch-aufführungspraktische Intervention notwendig. Genau so, wie Händel ferne und fremde historische Figuren in nahe Bekannte umwandelt, so ist es jetzt an der Zeit ferne und angeblich exotische Schauplätze in die eigene Erfahrungswelt zu integrieren, um nicht – und sei es nur aus falsch verstandener Werktreue – in die Fallstricke eines nicht mehr haltbaren Orientalismus zu geraten. Unsere Inszenierung verlegt daher die Handlung in die roaring twenties des vorigen Jahrhunderts, in ein Ambiente, das von Ägyptomanie, Jazz Age, der endlich erreichten Unabhängigkeit Ägyptens und einer Offenheit für das Zusammenprallen von vielfältigen kulturellen Strömen geprägt ist. Dabei geht es keinesfalls darum die Partitur zu verfälschen oder zu entstellen, sondern – im Gegenteil – Aufführungspraxis aus dem Geist des Werkes weiterzudenken und Händels Musik in die Zukunft hinüberzuretten.